Jürgen Gosch
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Jürgen Gosch ist als Inhaber der unter seinem Nachnamen laufenden Restaurant- und Gastronomiekette bekannt geworden. Viele der Fischbuden und Restaurants stehen auf Sylt, weshalb viele Menschen die Geschäfte von Gosch häufig zuallererst mit der Nordseeinsel in Verbindung bringen.
Jürgen Goschs Lebensgeschichte beginnt zwar in Nordfriesland, aber im kleinen Städtchen Tönning. Im Bade- und Luftkurort an der Eidermündung erblickt er im Mai 1941 das Licht der Welt. Mit seiner Mutter und zwei Geschwistern verbringt er dort seine Kindheit und Jugend.
- Aale für die Urlauber
Zunächst entwickelt sich sein Leben ganz beschaulich, in geregelten Bahnen und entspricht damit dem weit verbreiteten Klischee von dieser wirtschaftlich vergleichsweise wenig entwickelten Region an der schleswig-holsteinischen Nordseeküste. Nach der Schule macht Jürgen eine Maurerlehre, wird Geselle und arbeitet in einer örtlichen Baufirma. Sein Leben nimmt erst eine komplett andere Wendung als ihn sein Chef 1966 zum Arbeiten nach Sylt schickt. Er beginnt nachmittags nach der Maloche auf dem Bau mit dem Verkauf von Krabben und findet Gefallen daran. Schnell steigt er auf Aale um, die er an den Stränden zwischen Wenningstedt und List aus einem Korb heraus anbietet. Sein neuer Job gefällt ihm so gut, dass er den alten im nächsten Jahr kündigt und sich voll auf den Fischverkauf konzentriert. Fünf Jahre lang zieht er als ?Aal-Jürgen? mit Bauchladen und markigen Sprüchen bewaffnet über die von meist gut betuchten Urlaubern besuchten Strände. Und hat mit seiner Art und seinen Aalen Erfolg.
- Endlich festen Stand
Aber als fliegender Händler ist sein Sortiment zwangsläufig sehr begrenzt. Die häufigen Nachfragen nach Fischbrötchen kann er nicht befriedigen. Das ändert sich erst 1972, als er nach langen Verhandlungen mit der Gemeinde in List eine kleine Bude zur Verfügung gestellt bekommt, in der er nun neben Aalen auch Fischbrötchen und Salate anbieten kann. Zudem vermarktet Gosch den Laden geschickt als die nördlichste Fischbude Deutschlands und hat auch damit Erfolg. Der ist so groß, dass er 1984 in Westerland einen zweiten Laden aufmacht. Den Verkauf dort übernimmt für lange Zeit seine Mutter Annemarie. Zwei Jahre später baut er das Lister Fischhaus auf, das über eine eigene Räucherei, Verarbeitung und Kühlung verfügt. Ein Quantensprung. Von nun an geht alles deutlich schneller. Gosch eröffnet ein Geschäft nach dem anderen auf der von ihm so geliebten Nordseeinsel. Bis heute sind es zwölf Stück ? von der einfachen Fischbude bis zum Gourmet-Fischtempel, der auch als Treffpunkt für die Sylter Gesellschaft fungiert.
- Ab aufs Festland
Angetrieben vom andauernden Erfolg seiner Geschäfte denkt Jürgen Gosch nun auch in größeren Dimensionen. Er will den Leuten, die während ihrer Sylt-Urlaube so gerne seine Läden besuchen, die Fischbrötchen auch in die Heimat bringen. Dafür gründet er zum Einen Ende der Achtziger einen bundesweiten Versandhandel. Zum Anderen nimmt 1994 eine eigene Produktionsstätte in Ellingstedt, etwa 20 Kilometer südlich der dänischen Grenze gelegen, ihren Betrieb auf. Hier wird täglich frischer Fisch, vor allem aus Dänemark, verarbeitet. Damit ist zugleich die Grundlage dafür geschaffen, die Gosch-Imbisse auf dem deutschen Festland in die Heimatstädte der Sylt-Urlauber zu exportieren. Inzwischen existieren sechzehn Stück von Kiel bis München. Und Gosch erschließt sich laufend weitere Geschäftsfelder. Der findige Unternehmer verkauft Souvenirs wie zum Beispiel die Kuschel-Krabbe aus dem Firmenlogo. Für fröstelnde Kunden lässt er beheizbare Strandkörbe aufstellen. Außerdem nimmt er eine CD mit norddeutsch geprägten Songs auf und veröffentlicht ein Buch mit Anekdoten aus seinem Leben. In dem schreibt auch Ostfriesenkomiker Otto Waalkes ein Grußwort. Einer der vielen Prominenten, mit denen Gosch sich gerne umgibt und öffentlichkeitswirksam zeigt.
- Rückschläge
Ging es für Jürgen Gosch fast dreißig Jahre beruflich ununterbrochen bergauf, muss er Mitte der Neunziger auch Rückschläge einstecken. In seinem Umfeld wird er oft als hemdsärmeliger Arbeiter beschrieben, der kreativ und unkonventionell vorgehen, im Notfall aber auch mal den Hammer auspacken kann. Einer, der in List angeblich die Wirtin des Nachbarlokals mit einem Bündel Geldscheine in der Hand zur Aufgabe ihres Betriebs überredet hat. Sein unbürokratisch geprägter Umgang mit Geld führt 1997 zu einer gerichtlichen Verurteilung. Wegen in Luxemburg deponierten schwarzen Geldern muss Gosch ein Bußgeld zahlen, kommt also noch mit einem blauen Auge davon. 2005 macht einer seiner Hamburger Läden, wie auch einige der anderen Geschäfte auf dem Festland als Franchiseunternehmen betrieben, pleite. Zudem verlieren die Gosch-Läden außerhalb der Nordseeinsel auch von ihrem Sylter Nimbus als Edel-Imbisse. Denn diesen Status können sie in den deutschen Großstädten, wo sie in Einkaufszentren, an Flughäfen und Bahnhöfen präsent sind, einfach nicht verkörpern. Flair und Ambiente sind an solchen Plätzen eben anders. Strand, Sonne und manchmal snobistisch angehauchtes Publikum in Ralph Lauren Poloshirts lassen sich nun mal nicht beliebig übertragen. Die Umsatzzahlen, die Gosch allerdings im Gegensatz zur eigenen Person ungern in der Öffentlichkeit darlegt, stimmen aber nach seiner Aussage nach wie vor.
- Ewige Liebe Sylt
Mit seiner Frau Anna lebt Jürgen Gosch seit den Anfängen seiner Fischrestaurantkette auf Sylt. Der kleine beschauliche Ort Braderup hat es dem Ehepaar angetan. Dort bewohnen sie ein idyllisch zwischen Wattenmeer und ausgedehnter Heidelandschaft gelegenes Häuschen mit Garten. Seine beiden inzwischen erwachsenen Kinder hat Jürgen Gosch trotz seiner oft dominanten Art nie dazu gedrängt, im Unternehmen eine gewichtige Rolle zu übernehmen. Statt Fischbrötchen waren Meeresbiologie und Hotelmanagement angesagt. Gosch bezeichnet sich selbst als Kapitän, der so lange er kann, auch auf der Kommandobrücke stehen bleiben will. Wer dann folgt, ist bislang noch ungewiss. Das NDR-Fernsehen hat Gosch, der in jungen Jahren auch mal Weltmeister im Krabbenpulen war, im Frühjahr 2010 eine ausführliche Reportage gewidmet, deren Titel auch sein Leben und seine Leidenschaften gut zusammenfasst: Sylt - Mit der Fischbude zum Millionär.