Erwin Müller
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Erwin Müller ist ein bekannter deutscher Manager. Er ist der Gründer der gleichnamigen großen Ulmer Handelskette im Drogeriebereich, für die er auch trotz seines fortgeschrittenen Alters nach wie vor aktiv ist.
- Anfänge
Erwin Franz Müller wird im September 1932 in München geboren. In seiner Kindheit ziehen sie nach Unterfahlheim in die Nähe von Ulm. Nach einer 1947 begonnenen Friseurlehre macht der junge Franz 1953 im elterlichen Haus sein erstes eigenes Herren-Friseur-Geschäft auf. Das verlegt er zwei Jahre später nach Neu-Ulm. Noch einmal zwei Jahre darauf besteht er an der Handwerkskammer in Ulm seine Meisterprüfung. 1963 beteiligt er sich an einem neu eröffneten Friseurladen in Ulm. 1966 macht er im Ulmer Stadtteil Braunland ein Friseurgeschäft mit Kabinett, Parfümerie, Kosmetik- und Drogerieverkauf auf. Ein erster Vorgeschmack auf die künftige Ausrichtung seiner geschäftlichen Tätigkeiten. Zunächst aber gelangt Müller im so genannten Ulmer Figarostreit zu überregionaler Bekanntheit, weil er sich mit der örtlichen Friseurinnung überwirft und seine Filialen entgegen deren Gepflogenheiten auch montags öffnet. Als Konsequenz daraus wird er zwar aus der Innung ausgeschlossen, gleichzeitig aber von Hugo Mann kontaktiert, dem in Deutschland eine Reihe von Wertkauf-Verbrauchermärkten gehört.
- Wertkauf
Mann ist beeindruckt von dem Durchsetzungsvermögen des jungen Müller und bietet ihm einen Konzessionsvertrag für Friseursalons in seinen Wertkauf-Niederlassungen an. Die sollen ihre Dienste von Montag bis Samstag angelehnt an die Kaufhausöffnungszeiten anbieten. 1968 geht die erste Filiale in München an den Start, die schon kurz darauf eine eigene Drogerie- und Parfümerieabteilung erhält. Im nächsten Jahr begibt sich Müller auf eine Dienstreise in die USA, wo er sich begeistert von den dortigen Drugstores zeigt. Das Konzept dieser Kleinkaufhäuser übernimmt Müller später auch für seine eigene Handelskette. Aber zunächst arbeitet Müller noch in den Wertkauffilialen. Und befriedigt die Erwartungen von Mann. 1973 ist Mann sogar bereit, Müller eine Konzession für das komplette Drogeriesortiment bei Wertkauf zu geben. Da die Verträge aber immer nur eine dreimonatige Laufzeit haben, macht Müller schnell seinen eigenen Laden auf.
- Vom Drogeriemarkt zum Kleinkaufhaus
Im Ulmer Stadtteil Braunland baut er die dortige Filiale zu einem reinen Drogeriemarkt um. Noch im selben Jahr eröffnet er auf Grund des großen Erfolges in Heidenheim eine zweite Niederlassung. Und Schlag auf Schlag geht es auch weiter. In ganz Baden-Württemberg schießen neue Drogeriemärkte von Müller aus dem Boden. Bereits 1978 knackt er die hundert Millionen-Grenze beim Jahresumsatz. Zehn Jahre nach dem ersten Geschäft gibt es bereits mehr als hundert Märkte. Müller sieht aber noch weitere Ausbaumöglichkeiten und nimmt deshalb in Villingen-Schwenningen das erste Kaufhaus mit einem deutlich erweiterten Sortiment in Betrieb. Nun kann er endlich das von ihm so bewunderte Konzept der Kleinkaufhäuser nach Vorbild der amerikanischen Drugstores umsetzen.
- Abgrenzung von der Konkurrenz
Müller macht aus einem reinen Drogisten ein Unternehmen, das mit zahlreichen Produkten handelt. Von Tonträgern über Schreib- und Spielwaren bis zu Haushaltsgeräten. Zwischenzeitlich macht das Drogeriegeschäft nur noch rund vierzig Prozent des Gesamtumsatzes aus, der bei etwa 2,8 Milliarden liegt. Rund 25.000 Mitarbeiter sind Anfang 2011 in den mehr als 600 Märkten angestellt. Das Imperium des Erwin Müller erstreckt sich neben dem süd- und mitteldeutschen Raum auch über die Schweiz, Österreich, Slowenien, Kroatien, Ungarn und der deutschen liebste Urlaubsinsel Mallorca, zu der Müller eine innige Beziehung pflegt. Dabei betreibt Müller die Expansion des Unternehmens vergleichsweise langsam. Er finanziert sie fast nur aus dem Cash-flow. Im Gegensatz zu Konkurrenten wie Schlecker legt Müller Wert auf gute Lage und insbesondere Ausstattung seiner Läden. Oft ergänzen Glasvitrinen die Regale in den gut ausgeleuchteten Geschäften und vermitteln damit keinesfalls den Eindruck eines Discounters. Das Angebot erstreckt sich auch auf edle Produkte und bietet vor allem eine extrem große Auswahl. Innerstädtische Lagen in Fußgängerzonen werden bevorzugt.
- Zwei Seiten der Medaille
Mit seinem in Deutschland schon totgeglaubten, weil so oft gescheiterten Konzept des Kleinkaufhauses begeistert Müller nicht nur seine Kunden. Anscheinend hat er bei der Sortimentsauswahl ein feines Näschen für die richtige Zusammenstellung. Die ist ihm so wichtig, dass er sich auch wegen kleineren Artikeln wie Schwämmen oder Tüchern durchaus mit seinen Einkäufern anlegt. Insbesondere wenn mal ein Produktengpass absehbar ist. Sein Unternehmen hat sich jedoch als Handelspartner in verschiedenen Branchen etabliert. Stellvertretend dafür stehen die diversen Auszeichnungen, die es bislang in der Kategorie bester Handelspartner erhielt. So verlieh die deutsche Musikindustrie dem Konzern 2004 den Echo. 2008 und 2009 kam jeweils der Lima Germany Award hinzu. Lara Games vergab die Auszeichnung 2010 für den Bereich Elektronikspiele. Auf der anderen Seite hat Müller auch wiederholt Ärger mit Gewerkschaften und Mitarbeitern, die anonym zitiert die Arbeitsbedingungen schon mal als Lohnsklaverei bezeichneten. Mit Ver.di gibt es einen jahrelang andauernden Streit, da die Gewerkschaft Müller vorwirft, dass er die Gründung von Betriebsräten zu verhindern versuchte. Und, nachdem ihm klar war, dass er diese nicht verhindern kann, die entsprechenden Veranstaltungen durch Drohungen im Vorfeld zu torpedieren und durch die Entsendung von Mitarbeitern der höchsten Ebene zu konterkarieren. Außerdem wurden Mitarbeiter laut Süddeutscher Zeitung vom April 2009 dazu genötigt, regelmäßige Auskünfte über ihren Gesundheitszustand abzugeben. Daraufhin nimmt die baden-württembergische Datenschutzaufsichtsbehörde Prüfungen auf und verhängt ein Bußgeld von 137.500 Euro gegen zwei Einzelfirmen des Konzerns.
- Patriarch und Genießer
Auch sonst ist Müller anscheinend ein durchaus widersprüchlicher Mensch. Sein unglaublicher geschäftlicher Erfolg wird überschattet durch Streitereien, die letztlich auch sein Unternehmen gefährden können. Seinen Sohn Reinhard lässt er Betriebswirtschaft studieren und versucht ihn über Jahre zum Nachfolger aufzubauen. Der kümmert sich maßgeblich um die IT und die Warenwirtschaft des Konzerns, muss aber über Jahre mit immer wieder auftretenden Fehlern kämpfen. Zudem fädelt er federführend eine Einkaufskooperation mit dem Wettbewerber Rossmann ein, die sein Vater aber später wütend aufkündigt. Vermutlich, weil Rossmann in sein Stammgebiet vorgedrungen war. Für den Sohn auf jeden Fall eine neue Ohrfeige. Denn das Verhältnis der beiden wird zunehmend von Spannungen geprägt. Es gipfelt schließlich 2004 im Rauswurf des Juniors durch den Senior. Im Zuge der Vertragskündigung mit Rossmann verlässt kurz zuvor auch Einkaufsleiter Gerhard Kramer entnervt das Unternehmen, kommt aber nach einer Offerte von Erwin Müller 2008 als Geschäftsführer zurück. Aber auch deren Verhältnis verschlechtert sich innerhalb eines halben Jahres so stark, das Müller Kramer freistellt und ihm kurz darauf kündigt. Es folgt ein Jahre dauernder Prozess vor dem Ulmer Landgericht mit gegenseitigen Schuldzuweisungen und immer neuen Kündigungen, die jedoch vom Gericht jedes Mal einkassiert werden.
So hat der seit 2006 in zweiter Ehe verheiratete Müller definitiv ein Problem mit seiner Nachfolgeregelung und vor allem damit, das Zepter mal aus der Hand zu geben. Seine Firma loszulassen. Zwar denkt Müller vorrangig an den unternehmerischen Erfolg. Er gönnt sich aber darüber hinaus auch abseitige Dinge wie das im 19. Jahrhundert errichtete bekannte Budapester Kaffeehaus Gerbeaud, das er mit seinen Millionen aufwendig sanieren ließ. Auf Mallorca unterhält er eine Finca mit eigener Straußenfarm und Golfplatz. Den Golfplatz nutzt er allerdings nicht selbst. Aber für Deutschlands Unternehmerelite veranstaltet er regelmäßig ein Turnier. Und baut damit sein Netzwerk weiter aus. Zudem betreibt er mit einigen Freunden das Segelfliegen und ließ sich zu diesem Zweck nach gemeinsamen Konstruktionsplänen ein eigenes Flugzeug mit einer Spannweite von über dreißig Metern bauen. Das trägt den Namen Eta. Im technischen Bereich steht der griechische Buchstabe für den größtmöglichen Wirkungsgrad. Sicher weiß Erwin Müller das auch.