Clemens Tönnies
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Clemens Tönnies ist ein deutscher Unternehmer und Sportfunktionär. Als geschäftsführender Gesellschafter bei Tönnies Fleisch steht er einem der größten europäischen Fleischproduzenten vor. Darüber hinaus ist er bundesweit insbesondere über den Fußball in seiner Eigenschaft als Aufsichtsratsvorsitzender des Bundesligisten FC Schalke 04 bekannt.
- aus einfachen Verhältnissen
Geboren wird Clemens Tönnies im Mai 1956 im ostwestfälischen Rheda-Wiedenbrück. Dort wächst er als eines von sechs Geschwistern in einfachen Verhältnissen auf. Sein Vater betreibt eine kleine Metzgerei. Mit seinem vier Jahre älteren Bruder Bernd muss er sich viele Jahre ein Bett teilen. Vielleicht auch einer der Gründe für die sehr enge Beziehung, die die beiden Brüder zeitlebens verbindet. Nach dem Schulabschluss macht Clemens zunächst eine Lehre und lässt sich zum Fleischtechniker ausbilden. Anschließend verlässt er zum einzigen Mal in seinem Leben seine Heimat für einen längeren Zeitraum und absolviert zweieinhalb Jahre ein Aufbaustudium im fränkischen Kulmbach. Sein Bruder Bernd beginnt ab 1971 damit, den gemeinsam mit Clemens gehegten Plan eines eigenen Betriebes umzusetzen. Beide wollen richtig was auf die Beine stellen. Und wenn es nur über härteste Maloche läuft. In bester Familientradition baut Bernd in der schon immer stark von der Fleischindustrie geprägten Heimatstadt aus einem kleinen Fleischereibetrieb eine Großhandelsfirma für Fleisch und Wurstwaren auf. Clemens ist trotz seines noch jugendlichen Alters von Anfang an dabei, macht nebenbei Lehre und Studium fertig. Bis zu Deutschlands größtem Fleischproduzenten ist es da für die B. & C. Tönnies Fleischwerk GmbH & Co. KG, meist einfach als Tönnies Fleisch bezeichnet, aber noch ein weiter Weg.
- Tönnies Fleisch
Der ist naturgemäß nicht ohne Kurven und Hindernisse. Aber die beiden Brüder ergänzen sich hervorragend und verstehen sich dabei meistens blind. Der extrovertierte Bernd übernimmt den dominanten Part und ist derjenige, der mit seinem souveränen Auftreten das Geschäft nach außen hin verkaufen kann und innerbetrieblich als Autoritätsgestalt auftritt. Clemens wächst schnell in eine Führungsrolle hinein und steht nach einigen Jahren gleichberechtigt neben seinem Bruder. Er sagt allerdings über sich selbst, dass er sein ganzes Leben hinter Bernd gestanden hat, sieht das aber nicht als Zurückstufung. Er fühlt sich eher für das oft mühselige Tagesgeschäft zuständig und sorgt dafür, dass der Laden läuft. Und das tut der. Bald sind die Kapazitäten am Standort in Rheda ausgeschöpft, weshalb 1975 der Umzug ins benachbarte Herzebrock ansteht. Dort wird mit immerhin schon sechzig Mitarbeitern produziert. Schweine werden geschlachtet, zerlegt und dann gekühlt als Rohstoff an die Wurstwarenproduzenten geliefert. Aber die beiden Brüder wollen nach Rheda zurück und planen deshalb einen großen Schlachtbetrieb auf der grünen Wiese, der 1992 seine Pforten für 400 Beschäftigte öffnet. Nun geht es noch steiler bergauf für die beiden Metzgersöhne.
- es geht auch ohne Bernd
Das Unternehmen floriert. Dann folgt 1994 der Schicksalsschlag. Bernd ist krank und braucht eine Spenderniere. Die bekommt er auch. Doch nach der Operation treten Probleme auf, denn sein Körper lehnt das Spenderorgan ab. Clemens muss ohnmächtig mit ansehen, wie der große, starke und so geliebte Bruder dahinwelkt und schließlich stirbt. Jetzt ist Clemens allein für die Firma verantwortlich. Plötzlich steht er in vorderster Linie und muss auch bislang ungewohnte Aufgaben übernehmen. Im Gegensatz zu Bernd setzt er nach eigener Aussage innerhalb seiner Führungscrew verstärkt auf Eigeninitiative und eigenverantwortliches Handeln. Der Erfolg gibt ihm Recht. Das Unternehmen wächst weiterhin rasant an. Diverse Konkurrenten werden aufgekauft. In der Schweineschlachtung ist Tönnies zehn Jahre später mit mehreren Millionen zerlegten Tieren jährlich die deutschlandweite Nummer eins. Dazu werden immerhin auch rund 300 000 Rinder verarbeitet. Portionsgerecht werden die Fleischwaren an Supermärkte und Discounter geliefert. Aldi, Lidl, Rewe und andere große Verbrauchermarktketten gehören zu den Kunden. Der Umsatz klettert in den Milliardenbereich. Das Geschäftsjahr 2009 spült 3,9 Milliarden Euro in die Kassen. Aber Tönnies will mehr und gibt die Devise heraus, den Umsatz bis 2014 auf fünf Milliarden Euro zu steigern.
- Arbeitsbedingungen
In dieser Zeit muss sich Tönnies wiederholt mit Vorwürfen auseinandersetzen, die sich vor allem an den Arbeitsbedingungen im Schlachtereikonzern entzünden. Und Tönnies gibt seinen Kritikern auch reichlich Munition. Gewerkschaften, einen Betriebsrat oder andere gesetzlich legitimierte Arbeitnehmervertretungen lehnt er ab. Für ihn unnötig, da er seine Arbeitnehmer nach eigener Aussage allesamt über dem branchenüblichen Niveau bezahlt. Das wird bei den Gewerkschaften, insbesondere bei der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) in Nordrhein-Westfalen anders gesehen. Die werfen Tönnies vor, dass er die Fleischpreise ständig unterbiete und damit kaputtmache, was ihm nur durch Dumpinglöhne für seine Mitarbeiter, von denen der Großteil aus Osteuropa stammt, möglich sei. Auch sein Führungsstil sei keineswegs so kollegial und durch Eigenverantwortung geprägt wie von ihm stets dargestellt. Gerd Andres, Staatssekretär im Bundesarbeitsministerium, prangert 2007 vermeintlich unhaltbare Arbeitszustände in der deutschen Fleischindustrie an und macht das namentlich auch an Tönnies Fleisch fest. Daraufhin lädt Clemens Tönnies ihn persönlich zu einer Besichtigung des Werkes in Rheda ein. Andres nimmt an, besucht das Unternehmen ein paar Wochen später und revidiert seine Kritik anschließend.
- Schalke 04
Im Jahr 2011 erscheint Clemens Tönnies als der mächtige Mann des FC Schalke 04, immerhin einer der traditionsreichsten Fußballclubs der Bundesrepublik. Er ist Aufsichtsratschef und hat gerade einen erfolgreichen Machtkampf mit dem Trainer Felix Magath hinter sich, der mit Magaths Demission und Flucht nach Wolfburg endete. Begonnen hat sein Engagement auf Schalke mit dem Tod von Bernd im Jahr 1994. Der war zu diesem Zeitpunkt Präsident des Ruhrpottklubs. Auf seinem Sterbebett bat er angeblich den kleineren Bruder, sich um Schalke zu kümmern. Und der sagte ja, obwohl er einen Posten im damals als höchst chaotisch geltenden Klub nach eigener Aussage nie haben wollte. Ein Jahr später sitzt Clemens Tönnies im Aufsichtsrat. Dessen Vorsitz übernimmt er 2001 als er sich gegen den FDP-Politiker Jürgen Möllemann durchsetzt. Der wiederum hatte damals Bruder Bernd erst in Schalkes Führungsetage gelockt. In der Folge scheut Tönnies keine Auseinandersetzungen. Den äußerst populären Manager Rudi Assauer, der ihn einst als Wurstheini verspottete, drängte er 2006 aus dem Amt. Dem Verein hilft er auch schon mal mit einem ohne jegliche Sicherheiten versehenen 4,7 Millionen Euro Kredit aus der Patsche. Und wird dafür von einigen Clubmitgliedern als Kredithai kritisiert. 20009 holt er den Erfolgstrainer Felix Magath vom frisch gebackenen Deutschen Meister Wolfsburg. Dem fehlen Ende 2010 die von Tönnies eingeforderten Erfolge in der Meisterschaft. Tönnies schießt sich auf Magath ein, fordert markig offene Gespräche unter Männern, feuert aber ständig Breitseiten gegen den Trainer. Dessen Amt übernimmt im März 2011 schließlich Ralf Rangnick, den Tönnies noch aus dessen erster Trainerzeit bei Schalke kennt. Beide duzen sich seitdem und bekunden offen ihre Sympathie für den Kurs des anderen. Tönnies? Vertrag als Aufsichtsratsvorsitzender läuft noch bis 2013.
- Ärger mit Justitia
Ein so steiler Aufstieg wie der von Tönnies Fleisch ruft zweifellos auch die Neider auf den Plan. 2007 ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen Tönnies Fleisch. Die Ermittlungen bringen jedoch ein mutmaßliches Komplott des niederländischen Konkurrenzunternehmens Vion zutage, die sich dafür wahrscheinlich eines enttäuschten Ex-Managers von Tönnies bedienten. Kurz zuvor hatte Vion Tönnies ein Übernahmeangebot gemacht, dass der aber ablehnte. Zudem wird ein Mitarbeiter des Eichamtes dabei gefilmt, wie er nachts im Werk von Tönnies vorsätzlich Waagen manipuliert um damit den Betrugsvorwurf zu untermauern. Die Videos helfen Tönnies in diesem Fall. Er muss sich gleichzeitig aber mit dem Vorwurf auseinandersetzen, dass er seine Beschäftigten unzulässigerweise per Videokameras überwache. Er argumentiert dagegen, dass alles mit den Arbeitnehmern abgesprochen sei. Wie bereits erwähnt, gibt es aber zu diesem Zeitpunkt keinen Betriebsrat.
Der enttäuschte Ex-Manager ist vermutlich auch der Urheber einer anonymen Anzeige gegen Tönnies wegen Betrugs. Er flog vorher wegen Unterschlagung bei Tönnies raus, kann aber nicht mehr vernommen werden, da er inzwischen verstorben ist. Tönnies und zwölf seiner Mitarbeiter stehen deshalb vor dem Essener Landgericht. In allen bis auf einem Fall kann ihnen keinerlei Schuld nachgewiesen werden. Es bleibt allerdings der Vorwurf, dass Tönnies in den Jahren 2004 bis 2007 rund 175 Millionen Packungen gemischtes Hackfleisch verkauft haben soll, dessen Rindfleischanteil auf der Packung zu hoch angegeben war. Etwa sechzig Mal tauchen die Ermittler in diesem Zusammenhang in den Firmenräumen von Tönnies auf und durchsuchen diese. Und dabei stoßen sie auf angebliche Ungereimtheiten in ganz anderem Kontext. Deshalb leitet die Staatsanwaltschaft Bielefeld im April 2011 ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung gegen Tönnies ein.