Bert Rürup
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Bert Rürup ist ein deutscher Wirtschaftswissenschaftler. Hohe Bekanntheit erlangte er zum einen durch seine Tätigkeit als Experte im so genannten Rat der Wirtschaftweisen. Zum anderen arbeitete er auch als Politikberater mit dem Schwerpunkt auf der Rentenpolitik. Von 2002 bis 2003 leitete er die Kommission für die Nachhaltigkeit in der Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme, die in den Medien zumeist einfach als Rürup-Kommission bezeichnet wurde. Nachhaltigkeit erlangte sie durch die seit 2005 eingeführte Rüruprente, die oft als Gegenentwurf zur so genannten Riester-Rente angesehen wird.
- Professor
Geboren wird Rürup im November 1943 in der vom Krieg gezeichneten Stadt Essen. Seine Eltern geben ihm den Namen Hans-Adalbert, der schnell zu Bert verkürzt wird. Nach dem Abitur beginnt er ein Studium der Wirtschaftswissenschaften. Zunächst in Hamburg, später in Köln, wo er 1969 auch erfolgreich abschließt. Er entscheidet sich für eine wissenschaftliche Karriere und wird Assistent am Seminar für Finanzwissenschaft der Kölner Uni. Bereits zwei Jahre später macht er seinen Doktor und promoviert zum Dr. rer. pol. Bis 1974 bleibt er am Institut, bevor er für einige Monate als Honorarkraft in die Planungsabteilung des Bundeskanzleramtes wechselt. Eine gleich doppelt bedeutsame Episode für den jungen Rürup. Denn hier hat er zum ersten Mal Umgang mit hohen politischen Akteuren und lernt, die politischen Mechanismen zu verstehen und später dann auch anzuwenden. Und dazu beschäftigte er sich mit der Rente und entwarf ein Positionspapier zu deren Zukunft. Seine düsteren Prognosen verhalten aber weitgehend ohne Echo. Das Papier verschwindet relativ schnell in der Schublade. Rürup wendet sich wieder der Wissenschaft zu und übernimmt 1975 eine Professur an der Universität-Gesamthochschule Essen. Ein Jahr später geht er in gleicher Eigenschaft an die Technische Universität Darmstadt, wo er bis zu seiner Emeritierung 2009 im Fachgebiet Finanz- und Wirtschaftspolitik lehrt. Ab 1988 folgt er verschiedenen Rufen an in- und ausländische Universitäten als Gastprofessor.
- Wirtschaftsweiser
Aber der umtriebige Rürup ist nicht die Art von Wissenschaftler, die eher im Hintergrund und weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit wirkt. Er ist natürlich ein Experte, aber einer, der auch gerne breites Gehör findet. Dafür ist der Posten, der ihm im Jahr 2000 angeboten wird, ideal. Er wird von höchster Stelle in den Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung berufen. Diesem Rat gehören fünf Personen an, die jährlich ein Gutachten für die Bundesregierung zur gesamtwirtschaftlichen Lage mit den daraus resultierenden Zukunftsprognosen erstellen. Umgangssprachlich werden die Mitglieder die fünf Wirtschaftsweisen genannt. Und Rürup ist nun einer davon. Einer, der sich schnell profiliert und in der ganzen Bundesrepublik nachhaltige Bekanntheit erlangt. Das liegt weniger daran, dass er 2005 sogar den Vorsitz im Rat übernimmt, sondern vielmehr an der Rolle, die er in der Politik beim Umbau der sozialen Sicherungssysteme spielt.
- Altersvorsorge und Politik
Denn Kanzler Schröder beziehungsweise seine Gesundheitsministerin Ulla Schmidt bauen auf Rürup bei den weit reichenden Umbaumaßnahmen, die sie dem deutschen Staat und seinen sozialen Sicherungssystemen verordnen. 2002 wird das SPD-Mitglied Rürup Leiter der Rürup-Kommission, die sich mit der Finanzierung von Renten- und Krankenversicherung und Konzepten für die Beitragsstabilität auseinandersetzt. Erfahrungen für diesen Posten sammelte Rürup ab 1992, als er für zehn Jahre der Enquête-Kommission des Deutschen Bundestages zum demografischen Wandel beitrat. Außerdem arbeitete er von 1999 ? 2001 in der Expertenrunde des Bundesarbeitsministers zur Vorbereitung der Rentenreform mit und agierte ab 2000 als Vorsitzender des Sozialbeirats für die Rentenversicherung.
Eines der Resultate der von Schmidt eingesetzten Kommission ist die so genannte Rürup-Rente, die als neues Modell in der Altersvorsorge dient. Auf deren Basis versichern sich die Deutschen gegen Krankheiten und treffen ihre Altervorsorge. Als weiteres Resultat steht Rürups Reputation, die parteiübergreifend so gut ist, dass er nun auch von der CDU bei sozialpolitischen Kernfragen zu Rate gezogen wird. Denn er hat auch gelernt, wie ein guter politischer Berater agieren sollte. Seine Stärke sind Beratungskonzepte mit politischer Konsensmöglichkeit. Darüber hinaus ist er höchst kompetent, besticht durch Detailwissen. Ulla Schmidt beispielsweise lobte ihn öffentlich für seinen Überblick über die gesamte Materie bei einem gleichzeitig bestechenden Wissen über einzelne Aspekte. Als es in der großen Koalition wegen der Gesundheitsreform knartscht, bittet ihn die CDU um Vermittlung und beruft ihn als Fachmann, der sich mit einem SPD-Experten auseinandersetzen soll. Das tut er dann auch und stimmt der SPD-Position zu. Die CDU übernimmt letztlich seine Position in den Kompromiss. Auch im Ausland gilt Rürup als anerkannte Kapazität. Deshalb berät er auch die Regierungen von Österreich und Kasachstan.
Die politische Seite seiner Karriere findet ein jähes Ende als er beim Finanzdienstleister AWD einen Vertrag unterschreibt. Nachdem von verschiedenen Seiten deutliche Kritik an diesem Engagement und der vermeintlichen Unvereinbarkeit mit seinen Ämtern aufkommt, legt er Ende 2008 den Vorsitz im Sachverständigenrat und im Sozialbeirat nieder und scheidet Anfang 2009 auch aus dem Rat der fünf Wirtschaftsweisen aus.
- Carsten Maschmeyer und AWD
Abenteuerlich erscheint vielen der Sprung von einem allseits geachteten Wirtschaftsexperten, dessen Meinung viel Widerhall in den großen politischen Parteien erfährt, in die private Wirtschaft zu einem nicht eben unumstrittenen Unternehmen, der AWD. Dorthin gelotst hat ihn Carsten Maschmeyer. Ein Mann, der sich gerne im Rampenlicht sieht und als Freund des ehemaligen Kanzlers Schröder bezeichnet. Maschmeyer hat AWD groß gemacht und seine Anteile inzwischen an den Schweizer Versicherungskonzern Swiss Life verkauft. Rürup startet zwar im April 2009 als Chef für ökonomische Analysen und soll zudem neue Märkte für private und betriebliche Altersversorgung erschließen. Aber wirklich glücklich wird er bei der AWD nicht. Und die nicht mit ihm. Zu teuer sei er, lässt Swiss Life verlauten und läutet damit unmissverständlich das Ende ein. So wird der Dreijahresvertrag schon Ende 2009 wieder gelöst. Natürlich hat ein Mann wie Rürup, der wegen Erreichen des Rentenalters im selben Jahr an der Uni Darmstadt emeritiert wird, bereits ein neues Ass im Ärmel. Zusammen mit Maschmeyer, der für sich ebenfalls das Ende bei der AWD gekommen sieht, macht er Anfang 2010 eine eigene Beraterfirma für Regierungen und große Finanzdienstleister auf. Während Maschmeyer sich um die internationale Ausrichtung und das Akquirieren von Neukunden kümmert, ist Rürup für sein Steckenpferd, nämlich Vorsorgekonzepte und -produkte sowie die Analyse von Marktpotenzialen verantwortlich.
- Weitere Aktivitäten
Außerdem wird er Anfang 2010 auch noch Chef des DIW-Kuratoriums. Das DIW, das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung, ist das größte seiner Art in Deutschland. Und Rürup beginnt hier gleich mit einem Paukenschlag und entlässt den streitbaren Leiter Klaus Zimmermann, der immerhin elf Jahre in dieser Funktion tätig war. Aber Zimmermann hat einige unglückliche Entscheidungen getroffen, die viel Geld gekostet haben. Zudem hat er das Institut ? und das wiegt noch viel schlimmer ? wissenschaftlich abgewirtschaftet. Des Weiteren hält Rürup nach wie vor regelmäßig Vorträge. Seine Meinung ist immer noch gefragt, auch wenn sein Ruf als unabhängiger, konsensfähiger Experte durchaus etwas Schaden genommen hat, seit er in die Privatwirtschaft und da auch noch zu einem so aggressiv auftretenden Unternehmen wie AWD gewechselt ist. Auch wenn das offensichtlich nicht passte und beide Seiten ziemlich schnell einen Schlussstrich gezogen haben. Eine Sache, die er selbst vermutlich unterschätzt hat. Um seinen vollen Terminkalender abzuarbeiten, steht Rürup jeden Tag um fünf Uhr morgens auf. Und wenn er mal zur Ruhe kommt, kann er sich am Großen Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland ergötzen, das ihm Ulla Schmidt 2005 für seine Verdienste verliehen hat.